Die drei Schüler-Strategien, um mit dem Mathe-Unterricht »klarzukommen«
»Die Mathe-Bücher sind voll mit Pseudo-Probleme, die man nicht ernst nehmen kann. Der Lernstoff ist abstrakt, realitätsfern und erscheint in großen Teilen sinnlos weil irrelevant.«
Wenn ich mit meinen Schülerinnen und Schülern spreche, sind das immer wieder die Dinge, die ich zu hören bekomme. Ich behaupte, Kinder haben eine Art Radar für »schwachsinnige« Dinge. Aber dieses Gefühl von »Unsinnigkeit« führt bei den Kindern zu unterschiedlichen Reaktionen. Ich übe mich darin, Kinder ernst zu nehmen – nicht immer wortwörtlich aber vom Grunde her. Denn die Kinder in der Schule können sich dem Ganzen nicht entziehen. Sie müssen irgendwie damit umgehen. Für mich lohnt es sich, sich mit diesen Reaktionen auseinander zu setzen, ohne den Vorwurf an die Kinder, sie wüssten ja nicht, was gut für sie ist.
Die drei Strategien
Ich habe im Wesentlichen drei unterschiedliche Arten des Umgangs mit der Schul-Mathematik beobachtet, die die Kinder je nach Veranlagung zeigen. Bewusste Entscheidungen sind das in der Regel nicht.
1. Ablehnung

Das Kind erlebt Verständnislosigkeit, Widerwillen, Wut – oft aber nur
unterschwellig und unspezifisch.
Im schlimmsten Fall suchen die Kinder dann den Fehler bei sich.
Sie müssen ständig Dinge tun, deren Sinnhaftigkeit ihnen verborgen bleibt.
Wenn sie überhaupt noch etwas tun, dann nur aufgrund externen Drucks.
Das Gefühl, wenn man was tun soll, worin
man keinen Sinn sieht – kennt man vielleicht.
In Kombination mit der Pupertät ist das explosiv.
»Null Bock« auf Schwachsinn – ist doch eigentlich ganz gesund, oder?
2. Ignorieren & arrangieren

Manche Schüler habe für sich gelernt, dass es unangenehm ist, die Schul-Aufgaben in Frage zu stellen: »das ist halt so«, denken sie sich. Sie haben gelernt, ihre Ablehnung zu ignorieren. Sie haben gelernt, dass sie sich mit den Inhalten lediglich oberflächlich und minimal beschäftigen müssen, um später in der Prüfung die Fragen mit den erwarteten Antworten versehen zu können. Die für reale Probleme hilfreiche Intuition für reale Zusammenhänge wird dann bei der Bearbeitung solcher Aufgaben abgeschaltet. Sich wirklich auf die Inhalte einzulassen, würde dem schulischen Erfolg eventuell sogar im Wegen stehen.
3. Neugier & Weitblick

Sehr wenige Schüler sind in der Lage, hinter den bis ins unkenntliche vereinfachten Fragestellungen tatsächliche Anwendungsmöglichkeiten oder zumindest interessante Themen zu entdecken. Auch wenn sie diese Anwendungen nicht konkret benennen könnten: Sie haben eine Ahnung vom großen Ganzen. Sie können in jeder noch so banalen Aufgabe einen interessanten Aspekt finden.
Wer hat die besten Karten?
Das System Schule kann man mit allen drei Varianten bestreiten. Nur mit den Varianten 1 und 2 könnte die Einstellung zu den Themen nachhaltig beschädigt werden. Sie sind geprägt von Widerstand, Verdrängung und negativer Konotation neutraler oder sogar interessanter Dinge. Kinder mit der dritten Variante des Umgangs tun sich natürlich am leichtesten. Mit der zweite Variante hat man sich arrangiert und die natürliche Abwehrhaltung der Variante 1 zu unterdrücken gelernt – was ich für nicht gesund halte.
Ja, die Variante 3, das sind Glückspilze, denn sie können Abstand nehmen von den seltsamen Dingen. Aber muss es den anderen so ergehen? Ich denke nein, aber dazu braucht es
- mehr Ehrlichkeit und Transparenz von Lehrenden;
- eine Schule, die sich um echte Bildung bemüht und weniger um Leistungsmessungen;
- im besten Fall, eine freie Entscheidung des Kindes, etwas lernen zu wollen.
Zum Weiterlesen:
Auf Vorrat lernen oder erst wenn man es braucht?
Oftmals werden Verfahren und Regeln zunächst losgelöst von ihren Anwendungen sehr ausführlich trainiert. »Das braucht ihr später« - lautet die Begründung des Lehrers. Reicht das als Motivation?
Anwendungsaufgaben sind oft an den Haaren herbeigezogen
Vielen Kindern in der Schule erscheinen die Aufgaben aus dem Mathe-Buch realitätsfern und schwachsinnig. Zurecht. Ich behaupte, das ist ein Faktor, warum sich viele Kinder mit Mathe so schwer tun. Aber muss das so sein?